REDE 1994

Ausstellung - Monika Leufen - Kloster Karthaus, Konz 2. Dez. 1994

Einführungsrede von Frau Dr. Ingeborg Schnettler, Hermeskeil



Meine sehr geehrten Damen und Herren,


ich begrüße Sie und freue mich, Ihnen heute Abend einige Überlegungen zu den Arbeiten von Monika Leufen vortragen zu dürfen.


Monika Leufen zeigt in dieser Ausstellung eine Auswahl ihrer Landschaftsimpressionen.


Die Landschaft ist nicht zu allen Zeiten als selbständiges Bildthema Gegenstand der Malerei gewesen.Über lange Zeiten waren Landschaftsdarstellungen völlig ohne Bedeutung und existierten allenfalls als Beiwerk der Hintergrundgestaltung in Figurenkompositionen. Dürers Landschaftsaquarelle zeigten zum ersten Mal Landschaften ohne Figuren, die Landschaft wird besonders auch zum Thema Albrecht Altdorfers. Erst seit dem 17. Jahrhundert wird die reine Landschaftsmalerei, bei der Mensch und Tier als Staffage auftreten, ein Hauptthema der europäischen Malerei. War es zunächst das Ziel der Maler, die Natur so realistisch wie möglich abzubilden, so löste sich spätestens zu Beginn unseres Jahrhunderts diese Bindung.


Das berühmte Postulat von Paul Cèzanne: „Kunst ist eine Harmonie Parallel zur Natur“ diente als Wegweiser und Leitmotiv für die Entwicklung der Landschaftsmalerei unserer Zeit, die nicht mehr die Ab- und Nachbildung anstrebt, sondern in freier Form- und Farbgebung Atmosphäre und Stimmung auffängt und vermittelt.

Das der Ruf einer Farbe, die Gebärde einer Linie, die Rhythmik von Formlagerungen die Empfindungen des Menschen repräsentieren können, ohne auf das Erscheinungsbild der verursachenden Natur angewiesen zu sein, war das entscheidende stimulierende Erlebnis. In dieser Tradition ist die Malerei Monika Leufen zu sehen.


Der beherrschende Eindruck beim Betreten der Ausstellung ist der eines Farb- und Lichtgewitters. Der ganze Raum ist erfüllt von der Leuchtkraft der Farben, die die Künstlerin verwendet. Flächig aufgetragene Acrylfarbe, überarbeitet mit kräftigen Kreide- und Fettstiften, mit abschließenden Übersprühungen: so präsentiert sich ihre Technik.


Der Verselbständigung der Farbe entspricht der expressive und freie Umgang mit Form und Fläche. Betrachten Sie, meine Damen und Herren, etwa die drei Bilder „Landschaftsausschnitt“, „Bergsee“ und „Berghang“. Sie zeigen, obwohl sie natürlich nicht als Reihe gedacht sind, die Variation einer Form in zunehmender Abstraktion. Nehmen wir die Form der Bäume als Beispiel, so entwickelt sich diese von links nach rechts gesehen von einer noch der Natur entsprechenden Form, stellvertretend für Stamm und Baumkrone, über annähernd parallel gesetzte Striche bis hin zu einer rhythmischen, dynamischen Strichabfolge.


Wie funktioniert nun aber die Beziehung zwischen diesen Bildern von Monika Leufen und dem Betrachter? Das Bild - rein formal gesehen - setzt sich zusammen aus leuchtenden bunten Farbflächen und linearen Strukturen. Der Betrachter tritt an es heran mit mehr oder weniger festgelegten Sehgewohnheiten, die ihn unwillkürlich forschen lassen nach bekannten Figuren. Je intensiver er sich auf das Bild einläßt, um so klarer treten bekannte Dinge auf: Berge, Täler, Wasser, Bäume, Wolken usw.


Wenden wir uns den „Weinberg“ von Monika Leufen zu. Die vier kleinen Bilder zeigen jeweils den Ausschnitt eines Steilhanges, für uns, die wir von den Weinhängen von Mosel, Saar und Ruwer umgeben sind, ein vertrautes Bild. Jemand aber,der nie einen Weinberg gesehen hat, würde tatsächlich nur das sehen, was die Künsterin auf die Fläche gebracht hat: eine Reihe von horizontal parallel geführten Strichen, unterteilt in mehrere vertikale Abschnitte, teilweise gefüllt mit farbigen Flächen. Lediglich die Titelgebung wäre einem solchen Betrachter eine Hilfe.


Wir kennen die Veränderungen, die die Weinberge im Laufe des Jahres durchmachen. Die Weinstöcke, anfangs völlig unbelaubt, stehen tatsächlich wie Striche in schöner regelmäßiger Folge in der Landschaft. Mit zunehmender Belaubung schließen sich die Flächen, das Grün des Laubes entwickelt sich später im Jahr zu einer gelb - braunen Harmonie, und irgendwann ergibt sich wieder die lineare und gleichförmige Abfolge der Stöcke. Das unterschiedliche Licht, je nach Tages- und Jahreszeit ergibt die unglaubliche Vielfalt von Farb- und Stimmungsvariationen.


Der Kreislauf des Wechsels in einer zeitlich bestimmten Abfolgen wird deutlich in diesen vier Weinbergbildern von Monika Leufen. Die Vereinfachung der Darstellung der Wirklichkeit gegenüber ihrer tatsächlichen Erscheinung beruht auf der Steigerung der Farbe und der Vereinfachung der Zeichnung. Sie wird durch die selbständigen Ausdruckswerte von Farben, Form, Linie und Bildordnung bestimmt. Es wird das Wesen der Landschaft veranschaulicht, indem der unmittelbare Kontakt zur Realität im Bild wirksam wird, wobei es sich mehr um ein emotionelles Erschauen als um analysierendes Verstehen handelt. Das große Weinbergbild auf Leinwand veranschaulicht aufs eindringlichste diese Wirkungsweise. Der Betrachter sieht sich unvermittelt inzwischen von Weinstöcken mit Blick auf einen gegenüberliegenden Weinberg. Das gleißende gelbe Licht umfängt ihn. Er ist plötzlich selbst Bestandteil des Bildes, befindet sich inmitten der von Wärme, Helligkeit und Fröhlichkeit geprägten Szene.


Walter Koschatzky, ein von mir besonders geschätzter Kunsthistoriker, beschrieb diese Wirkungsweise wie folgt: „Die Linie (ich erglaube mir zu ergänzen; die Fläche) kann, überlegt man es recht, eine erstaunliche Menge von sehr verschiedenartigen Mitteilungen ausdrücken. Sie vermag körperhafte Gegenstände in einer Reduktion auf der Fläche erkennbar wiederzugeben. ...Sie kann Emotionen darstellen, aber auch solche auslösen, die vom Ungreifbaren sprechen und vom Innersten bestimmt sind.“ Und weiter: „Für die Wahrnehmung gilt die Grundregel der größten Einfachheit. Jene Bedeutung wird zuerst angenommen, die am einfachsten erkannt wird.“

Monika Leufen hat es selbst in ihrem Krefelder Katalog so ausgedrückt: „Ausgehend von naturalistischen Formen, die ich bis zur Abstraktion wieterentwickle, versuche ich, Sinneseindrücke von der Natur oder einem Objekt so wiederzugeben, daß wesentliche Merkmale von Form und Struktur erhalten bleiben. Die sehr zurückgenommene Formensprache dient vorwiegend als Basis für mein Hauptanliegen, die Farbgebung. Mein Wunsch ist es, mit der Farbgebung den Empfindungsbereich des Bildbetrachters zu berühren und dort Reaktionen auszulösen.“


Meine Damen und Herren, ich möchte Sie auffordern, sich in die Bilderwelt Monika Leufens einzusehen, sich einzulassen auf Ihre expressive, strahlende Farbgebung, ihre eindringlichen Naturstudien, ihre Berglandschaften, Waldszenen und Blumenbilder.


Erfreuen sie sich an ihrer strahlenden Kraft und ihrer unmittelbaren Wirkung. Geben Sie sich einfach diesem Vergnügen hin.


Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!

Dr. Ingeborg Schnettler, Hermeskeil