REDE 1988
Die Einführungsrede zu den Bildern "Landschaften" von Monika Leufen anlässlich der Ausstellung 1988 im Kulturamt der Stadt Hilden hielt Frau Prof. Dr. Roswitha Hirner am 28.10.1988
Meine Damen und Herren,
merkwürdig spät in unserer abendländischen Geschichte ist die Landschaft zu einem Thema in der Kunst geworden: Erst seit der Emanzipation des Intellekts zu Beginn der Neuzeit wurde sie als eigenständiges Sujet entdeckt.
Seitdem ist sie in den fünf Jahrhunderten ihrer Bildwürdigkeit in unterschiedlichster Weise gesehen und gedeutet worden. Sie wurde zunächst um ihrer selbst willen dargestellt, portraithaft, in der neuen Freude am Erkennen des Diesseits. Später, im Barock, wurde ihr Bild genutzt als Spiegel menschlicher Seelenzustände. Oder – so im Impressionismus oder auch im Kubismus – sie wurde zum Objekt, an dem rationale und sinnliche Erfahrungen anschaulich gemacht wurden.
Immer jedoch standen und stehen Sicht und Deutung von Landschaften in einer inneren Beziehung zu der jeweiligen Zeit, in der ihre Bilder geschaffen wurden.
Die Landschaftsbilder von Monika Leufen stammen aus unserer Zeit, sie wurden gemalt in den letzten drei Jahren, und sie werden betrachtet, diskutiert, anerkannt oder missachtet von uns, von Zeitgenossen.
Auf jeden von uns wirken die Bilder spontan. Sie tun dies durch ihre Farbigkeit, so dass „Farbe“ zunächst fast das eigentliche Thema der Bilder zu sein scheint. Gegenständliches ist zu linearen bzw. gestischen Zeichen abstrahiert; Blumen, Gräser, Bäume, Hügel bieten dem Auge assoziative Anhaltspunkte zu dem äußeren Thema Landschaft.
Es sind keine bestimmten, wieder erkennbaren Landschaften, in die wir uns hineinversetzt finden; Erinnerungen ansprechend bieten sie unserem Auge mehr traumhaft Visionäres.
Unsere Phantasie und unser Gefühl werden vor allem durch Farbe angesprochen. Sie weckt Empfindungen, sie macht aggressiv oder beruhigt. In den Bildern von Monika Leufen sind es Farbräume, Lichträume, farbige Landschaftsräume, die unsere Seele in Schwingungen versetzen. Wir finden Landschaften, reduziert in ihrem Bild auf eine wesentliche Aussage: Farbe als Ausdruck der eigentlichen Natur der Welt, die, wie wir immer erkennen müssen, nicht physisch, sondern psychisch ist. Eine Natur, die in dieser Immaterialität Göttliches spürbar werden lässt.
Monika Leufen nähert sich in ihrer Interpretation von Landschaft Bildern der Romantik, die – allerdings offensichtlicher und dadurch schneller verständlich – eine pantheistische Naturauffassung widerspiegeln. Erinnerungen an William Turner oder Caspar David Friedrich werden wach, an Künstler, die zu Beginn der Technisierung und Industrialisierung auf die Göttlichkeit der Natur verwiesen, deren Zerstörung in eben dieser Zeit so fahrlässig und rücksichtslos begann. Etwas verhaltener als bei diesen Malern der Romantik, dennoch unmissverständlich, ist das Thema der Bilder von Monika Leufen dasselbe: Landschaft als Farbraum, der ein unendliches, ein göttliches Prinzip ahnen lässt. So gesehen sind dies religiöse Bilder, was erst recht das dreiteilige Bild verstehen lässt, das in seiner Form an alte Flügelaltäre erinnert.
Die Landschaften Monika Leufens, sie sind in einem hohen Masse aktuell. Sie spiegeln unsere romantische Sehnsucht nach einer Verschmelzung unseres Selbst mit der Natur wider, eine Sehnsucht, gewachsen aus Zerstörung und Verunsicherung und einem wiedererwachten Gefühl für kosmologische Zusammenhänge.
„Raum und wieder Raum ist die unendliche Gottheit, die uns umgibt und in der wir selbst enthalten sind.“
Diese Aussage Max Beckmanns aus dem Jahr 1938 trifft den tiefsten Gehalt der Landschaftsbilder Monika Leufens, die in diesem Sinne Trost und Hoffnung für uns Betrachter sind.