REDE 2005

Monika Leufen - „Aufstieg“                                                                                   30. Okt. 2005


Kunstraum Kempen


Einführungsrede von Frau Marget Cordt



Wir betreten einen Raum.

Aus Lärm, Geschäftigkeit und Zwängen treten wir ein Kloster, in einen spirituellen Bezirk, in eine geistige Welt.

Der Ort - wahrscheinlich der ursprüngliche Eingang des Klosters.


Der Raum vermittelt durch seine Dimension, seine Maße und klaren Proportionen Ruhe und Geborgenheit.

Die lichten Wände verströmen ein imaginäres Licht, das Kreuzgewölbe scheint zu schweben über den grau abgesetzten Architraven, die durch ihren behutsamen Akzent verhindern, das sich das Ich-Gefühl verliert in eine Transzendenz, die provoziert ist durch das Auge Gottes im Scheitelpunkt der Gurtbögen und durch das Starre des intensiven Blickes bis zur Bedrohlichkeit gesteigert wird.


Gott und Mensch sind hier am Ort geistger Welten wie  unentrinnbar aneinander fixiert.


Wer das Städtische Kramermuseum in den 70iger Jahren besucht hat, erinnert sich vielleicht, dass ausgerechnet in diesem Raum eine mittelalterliche Waffensammlung präsentiert wurde. Sinn entstellender konnte der Raum wohl kaum genutzt werden. Nach der Wiedereröffnung des Museums 1987 wurde hier ein Vortragsraum geschaffen, in dem u.a. der unvergessliche Dr. Ottmar Endres über den Pach-Altar in St. Wolfgang am Wolfgangsee, über Albrecht Dürers „Apokalyptische Reiter“, über Dürers Gesamtwerk, über Grünewald und weitere Künstler des Mittelalters und der beginnenden Neuzeit gesprochen hatte, was dem Raum seine Spiritualität zurückgab, die geistige Bedeutung, die endlich an seine einstige Bestimmung erinnerte: ein Ort zu sein der Begegnung zweier Welten: der Welt, die Franziskus den Observanten seiner Regel geöffnet hatte: Nachfolge Christiin Armut und Askese, um in einer Welt der Finsternis „Beispiele des Lebens aufleuchten zu lassen“ - und der bürgerlichen Welt, die mit Ängsten, seelischen und körperlichen Nöten beladen, geistlichen Rat und medizinische Hilfe suchend durch die Pforte neben der Kirche - heute wieder deutlich als solche erkennbar - in diesen Raum eintreten. Hier waren sie erst einmal geborgen; der Raum lässt es uns körperlich fühlen; durch seine fast ideal kubische Plastizität, durch die Sparsamkeit durch Farbe und Ausstattung, durch das Auge Gottes im Scheitelpunkt der Gurtbögen des Gewölbes, das sich in dem Kreuzgang fortsetzt - dem Ort der Besinnung, der jeder Störung durch die Außenwelt ausschloss, wo man aber dennoch im Freien wandeln konnte und eine Ahnung von spiritueller Freiheit gewinnen mochte. Das Auge Gottes, Symbol seiner Allgegenwärtigkeit, beschützte ihren Eingang und ihren Ausgang.


In 15 Jahren haben viele Künstlerinnen und Künstler die Ausstrahlung dieses Raumes für sich - und uns, die Eintretende - zu verdeutlichen versuchen. Selbst wenn dieser Raum - ohne eine Installation - einmal kurzfristig nur als Raum zugänglich war,konnte man erleben, dass Besucher diesen Raum niemals als leer oder kahl empfanden - er ist erfüllt von einer Atmosphäre, welche bannt und einen still werden lässt, und eine Künstlerin wie Monika Leufen dazu inspiriert, ihre Begegnung mit dem Raum in Bilder umzusetzen. Das Kreuzband mit dem Auge Gottes ist das Herz, die Seele, die Inspiration, die Quelle,das Zentrum der Spiritualität des Raumes.


Monika Leufen hat diese Spiritualität des Raumes im eigentlichen Sinn zum Leuchten gebracht mit einer transluziden Farbigkeit, die jeden Lebensweg erleuchten und erleichtern kann.


„Aufstieg“ nennt sie ihre Interpretation des Raumes, „Baustelle des Lebens“.

Sie sagt: „Der Anfang des bewussten Lebens ist schwer, mit wachsender Erkenntnis wird der Weg durchschaubarer und leichter“. Die Installation erläutert ihre Sicht: Von der Dunkelheit zum Licht; vom Chaos zu Erlösung; Erkenntnis durch Philosophie, Religion und Nächstenliebe. Die Spruchbänder öffnen jedem Menschen seine Beziehung zur Welt, zum Mitmenschen und zu einem geistgen Prinzip, das wir Gott nennen, auszuleben.

Ist Monika Leufen eine religiöse Künstlerin? Sie verneint diese Frage, - aber wenn man den Begriff nicht christlich eng begrenzt, ist sie eine religiöse Künstlerin, die uns eine Bewusstseinserweiterung ermöglicht.                                                                                                 Was macht diesen Raum und die Ausdeutung von Monika Leufen in ihrern Bildern zu einer so unglaublichen Einheit?  Weil sie wie schon lange kein anderer Künstler vor ihr das Kreuzband mit dem Auge Gottes, also den eigentlichen Anlass diesen Raum als „Kunstraum Kempen“ zu installieren mit ihren Bildern zu einer Einheit verschmolzen hat.


Das Kreuz, in welcher Andeutung, Ausformung, Eindrücklichkeit, ist immer in jedem Tafelbild präsent.

Wer sich der Einzeltafel in der Nische zuwendet, glaubt sich dem ersten Schöpfungstag gegenüber, an dem Gott das Chaos beendet in die Trennung von Nacht und Tag, Finsternis und Licht. Das Schwarz,                                                                                                                   das sich in einer unglaublich räumlichen Tiefe bewegt, die an den Weltenraum erinnert, ist bereits vom Aufbruch ins Licht durch eine starke farbige Dynamik gepägt; blaue, rote, graue Blitze leiten den Blick zur nächsten Tafel, in der Schwarz zunächst die untere Bildhälfte beherrscht, aber in das Zentrum die Aussparung eines Kreuzes - einer Kreuzform - entlässt, das von einem strahlenden Rot in eine erlösende Sphäre erhoben wird. Auch in den folgenden Tafelbildern wird die Erinnerung an die Form eines Kreuzes nicht gelöscht, sondern in Andeutung als Emblem erhalten, das in seiner Deutungsvielfalt dem Betrachter offen steht. Ein Emblem, ein Symbol, meint nicht unbedingt das, was ist, sondern weist auf Inhaltehin, die als Idee nicht anders darstellbar sind. Das Kreuz, wie immer Monika Leufen es auffasst, wandert durch die Tafelbilder, bis es sein Zentrum gefunden hat. Auf der Rückseite der Tafeln, die ich von meinem jetzigen Standpunkt nicht sehen kann. Aber ich sehe sie vor meinem geistigen Auge - aus Papier ausgeschnitten, aufgeklebt, also deutlich existent. Man kann sie abreißen und entfernen. Was haben wir für unser Leben gewonnen? Monika Leufen sagt: „Das Leben ist  eine Baustelle“. Ja - das ist es! Aber am Ende ihrer Installation wirft sie das Kreuz des Lebens nicht weg, sie bejaht es, indem sie es fixiert! Sie  manifestiert es in einer Aura von Licht. Die Licht verströmende Farbe ihrer Bildtafeln verbreiten einen Lebensmut, eine Lebensfreude, die es anzugehen gilt.


Paul Klee hat einmal gesagt: „Kunst gibt nicht das Sichtbare wieder, sondern macht sichtbar“.


Gehen Sie manchmal in diesen Raum und spüren Sie eine spirituelle Welt, die so real ist,wie die uns vertraute, aber eben doch eine wunderbare Erweiterung.                                                      


Margret Cordt                                                                                                                                    

Kempen, am 30. Oktober 2005